Bloggerin 2015 ohne Blog: Ich chat mal mit Barbara.

Deutschland ist ein Land vieler Botschaften und produziert einen regelrechten Schilder- und Plakatwald, um den vermeidlich wichtigen Aussagen auch Platz zu bieten. Diese werden dann zur „Belustigung“ aller in den öffentlichen Raum ausgestellt. Und Deutschland scheint Botschaften in recht absurd klingenden Amtsdeutsch zu  lieben. Man könnte fast verzweifeln. Die Künstlern Barbara. verzweifelt nicht, sie reagiert, indem sie solche Fundstücke im öffentlichen Raum verändert und kommentiert. Sie tritt still und heimlich aber nicht „unbeobachtet“ auf. Am 25. Januar wurde die anonym auftretende Barbara. bei der Preisverleihung der Goldenen Blogger 2015  per Online-Voting zum besten Blogger ohne Blog gewählt. Das klingt schon wieder so absurd, dass ich mich per Chat mit ihr einfach unterhalten musste.

 

 

Die Fanpage der Künstlerin Barbara. heißt schlicht: "Ich will anonym bleiben."

Die Fanpage-URL der Künstlerin Barbara. heißt schlicht: „Ich will anonym bleiben.“

Besonders erstaunte mich, dass Barbara. von ihrer Auszeichnung zur „BloggerIn des Jahres 2015 ohne Blog“ noch nichts wusste; es hatte sie einfach niemand informiert – weder der Veranstalter des Awards noch ihre  Fans. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass Barbara. keine Bloggerin ist? Komisch, dass in diesem Jahr die Sponsoren echte Trophäen erstellt haben, wenn die Sieger noch nicht einmal benachrichtigt wurden?

Thomas Knüwer bloggt auf indiskretionehrensache.de: „Und: Unsere Goldenen Blogger wird es tatsächlich als Kohlenstoff-Statuen geben!“ Prima- wollt ihr sie auch verteilen? Thomas Knüwer zeichnete zusammen mit Franziska Bluhm und Daniel Fiene auch dieses Jahr wieder Blogger aus. Daniel Fiene, er ist „Mit-Initiator“ (?) des Blogger Awards, antwortete trotzt versuchter Nachfrage via Telefon und Twitternachrichten nicht auf meine Fragen?

Doch zurück zur BloggerIn 2015 ohne Blog. Ich sag einfach mal Bloggerin, denn Barbara. ist anonym. Sie ist laut eigener Aussage eine Person, mit dem Pseudonym Barbara.

Barbara. Bekleben verboten

@ich_bin_barbara: Bekleben verboten

 

„Ich (k)lebe, also bin ich.“

Wie gesagt entlarvt Barbara Widersprüche, setzt sich mit sinnlosen Verboten auseinander und führt uns die Absurdität unserer Botschaften vor Augen. Sie  reagiert auf ihre Umwelt, kommentiert Fundstücke und kommuniziert in einer Metaebene mit der Öffentlichkeit. Barbara verwandelt Botschaften auf Schilder, Wände, Säulen und Plakate in neue Kunstwerke. Sie hinterlässt ihre Meinung, ihre Kommentare im öffentlichen Raum – an Bäumen, an Straßenlaternen und Mülleimern – und fotografiert die so kommentierten Bild-Aussagen.

Diese neu entstandenen Kunstwerke verbreitet Barabara. anonym sie auf Facebook und Instagram. Barbara. tritt anonym in Dialog mit den Betrachtern, zerrt ihre Fundstücke in den weltweit öffentlichen Raum des Internets und hinterlässt dort Spuren. Die Kommentare der Menschen in Barbaras Timeline setzen sich mit ihren Geschichten auseinander. Sie gehen auf einmal mit anderen „geöffneten“ Augen durch den Schilder-Dschungel. Barbara erwirkt Veränderungen und regt ein oft passives Publikum zum Mitdenken an.

 

Ich bin Barbara.: Gehirn einschalten!

@ich_bin_barbara.: Gehirn einschalten!

Dabei benutzt die Künstlerin sowohl Text- als auch Bildelemente. In ihrem Buch „Dieser Befehlston verletzt meine Gefühle“ heißt es dann auch: „Ich (k)lebe, also bin ich.“ Und sie trifft den Nerv der Zeit. Alleine ihre Fanpage mit den sprechenden Namen facebook.com/ichwillanonymbleiben zählt über  350.000 Fans (Stand 1. Februar 2016) und ihr Instagram-Account hat 75,1 k Abonnenten.

Na ja, wie setzt man sich mit Barbara in Verbindung. Ich recherchierte und stellte fest, dass sie ja umtriebig in Medien wie „Der Spiegel“, „Stern“, NRD und Co. fleißig Interviews gibt. Ich schreibe Barbara, via Facebook-Chat an und erhalte, ganz im Gegenteil von  Daniel Fiene, auch Feedback. Und prompt halte ich mein erstes Chat-Interview:

Mein Interview mit Barbara. per Facebook-Chat

Pia: Seit einiger Zeit fallen mir die Fotos und Kommentare zum Account von „Ich bin Barbara.“ auf. Doch wofür steht der Punkt?

Barbara.: Mein liebstes Logo ist das von AC/DC, mit dem Blitz in der Mitte. Sowas ähnliches wollte ich auch und hab mich für den Punkt entschieden. Meine Oma hat immer zu mir gesagt: „Du musst auch mal nen Punkt machen!“

Pia: Barbara, Du wurdest im Januar 2016 bei dem Award zum „Goldenen Blogger 2015“ als „Bester Blogger ohne Blog“ ausgezeichnet. Was bedeutet diese Auszeichnung für Dich?

Barbara.: Meine letzte Auszeichnung war vor vielen Jahren im städtischen Freibad das Seepferdchenabzeichen, meine Güte war ich stolz darauf. Das fühlt sich jetzt ähnlich gut an.

Pia: Die Auszeichnung „BloggerIn ohne Blog“ ist für mich ein Wiederspruch. Warum nutzt Du denn keinen Blog?

Barbara.: Ich bin Minimalistin und versuche so wenig Zeit wie möglich im Internet zu sein und mich mehr auf die reale Welt zu konzentrieren. Je mehr Kanäle ich aufmache, desto schwieriger ist das. Darum habe ich mich auf die schnell und einfach zu handelnden Kanäle der sozialen Netzwerke entschieden.

Pia: Barbara., Du drückst Dich in einem vielschichtigen Medium aus – Du veränderst Texte, überschreiben diese, druckst Deine Kommentare  aus und machen davon ein Foto. Oft wird es als Aktionskunst beschrieben. Wie beschreibst Du Deine Ausdruckform?

Barbara.: Mir ist eine bestimmte Beschreibung meiner Tätigkeit nicht so wichtig, ich überlasse das gerne anderen. Ich hinterlasse Botschaften und setze meine Ideen um. Ich habe sehr viel Freude daran und möchte mich nicht auf eine theoretische Linie festlegen. Es ist mir egal ob das Street Art oder Aktionskunst oder sonstwie genannt wird.

Pia: Und was möchtest Du damit erreichen? 

Barbara.: Dasselbe wie alle anderen KünstlerInnen auch. Meine Gedanken und Ideen umsetzen und sie den Menschen mitteilen.

Pia: Bist Du glücklich über die Verbreitung Deiner Botschaften?

Barbara.: Klar freut es mich, dass meine Botschaften verbreitet werden, sonst würde ich sie gar nicht erst in die Welt setzen.

Pia: Barbara für Dich scheint der öffentliche Raum voller Botschaften zu stecken. Wie kommt es, dass Du diese so bewusst wahrnimmst? 

Barbara.: Ich laufe mit offenen Augen durch die Straßen und hinterfrage gerne Dinge, die meistens als gegeben hingenommen werden. Ich weiß aber, dass ich damit nicht alleine bin. Ich bekomme viel Feedback von Menschen, die sich ebenfalls damit auseinandersetzen.

Pia: Und warum meinst Du darauf reagieren zu müssen?

Barbara.: Ich möchte mich in den öffentlichen Diskurs einmischen. Meine Meinung einbringen und Dinge ansprechen, die mir wichtig sind.

Pia: Barbara., warum hast Du gerade diese Form gewählt?

Barbara.: Ich liebe den Dschungel der Stadt und möchte ihn nicht kampflos den großen Werbeagenturen überlassen, die schadhafte Botschaften von Marlboro, McDonalds oder der BILD-„Zeitung“ in millionenfacher Auflage in den öffentlichen Raum brüllen. Es ist für mich ein durchaus befriedigendes Gefühl, wenn ich wenigstens ein kleines bisschen dagegen steuern kann, indem ich einen Zettel oder ein Plakat mit meiner Meinung hinterlasse.

 

Anonyme bekannte Barbara.

Pia: Der NDR vertritt in dem Bericht „Wer ist die Street-Art-Künstlerin Barbara?“ die Auffassung, dass Deine Anonymität Teil Ihres Erfolgsrezepts sei und die Fantasie und Neugierde der Follower und Fans anregen würde. Teilst Du diese Ansicht?

Barbara.: Darüber möchte ich nicht spekulieren. Ich möchte das meine Arbeit unabhängig von meiner Person betrachtet wird. Die Anonymität hat Vor- und Nachteile, aber ich bin ganz glücklich damit. Sollte sich das eines Tages ändern, werde ich vielleicht doch aus der Deckung kommen. Oder auch nicht.

Pia: Gerade als anonyme Persönlichkeit bist du bei den Medien sehr beliebt: Ob Der Spiegel,  das Heute-Magazin oder diverse weitere Medien, man reißt sich um Dich. Hat das Auswirkungen auf Deinen Bekanntheitsgrad? 

Barbara.: Ich hoffe, dass das Interesse meiner Arbeit gilt. Klar erhöht ein Bericht in den Tagesthemen den Bekanntheitsgrad und eine Stunde nach Ausstrahlung sind ein paar Tausend neue Leute auf meiner Seite. Für mich persönlich ändert sich dadurch aber nichts, da keiner in meinem privaten Umfeld über meine Tätigkeit bescheid weiß und die Welt sich nach solchen Berichten genau gleich schnell weiterdreht.

Barbara.: Kann das Internet eigentlich rosten?

@ich_bin_barbara: Kann das Internet eigentlich rosten?

 

Pia: Gibt es einen kleinen Kreis an Menschen, die Dich als Urheberin der Kunstwerke von Barbara. kennen?

Barbara.: Es gibt nur einen Menschen, dem ich mich anvertraut habe. Alle anderen, Freunde und Familie, haben keine Ahnung was ich da mache.

Pia: Und reizt es da nicht doch manchmal, die Anonymität aufzudecken und Geld mit der „Bekanntheit“ – also als Marke Barbara. – zu verdienen?

Barbara.: Coca Cola und Starbucks sind Marken. Ich bin Barbara. und möchte keine Marke sein.

Pia: Barbara. welche drei Wünsche hättest Du, wenn sie Dir erfüllt werden könnten?

Barbara.: Weltfrieden, ein neues System of a Down-Album und eine Pizza Quattro Formaggi.

Pia: Liebe Barbara., merci für das interessante Chat-Interview:-)